
"Sicily Divide Bike Trail" mit dem Faltrad
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Es war einmal...
Sizilien, die größte Insel im Mittelmeer, ist ein Ort voller Kontraste. Von den schroffen Bergen im Inselinneren bis zu den endlosen Sandstränden an der Küste, bietet sie eine faszinierende Mischung aus Natur, Geschichte und Kultur. Die lebhaften Städte, wie Palermo und Catania, treffen auf verschlafene Dörfer, in denen die Zeit stillzustehen scheint. Überall spürt man die Spuren der Geschichte – von den antiken Tempeln der Griechen bis zu den beeindruckenden Überresten aus der Zeit der Römer.
Vor 15 Jahren umrundete ich die Insel mit dem alten Raleigh Stahlrenner, der dann ein paar Jahre später in den verdienten Ruhestand ging. Im Nachhinein betrachtet war das Rad mit seinen dünnen Reifen und den nicht vorhandenen Möglichkeiten zur Gepäckanbringung eher unpraktisch.

Es war der klassische Italien-Urlaub: Sonne, Meer und jede Menge Pasta. Wie die meisten Touristen hielt ich mich an die bekannten Küstenrouten und genoss das, wofür Sizilien berühmt ist: Strand, Meer und mediterranes Flair. Doch das Inselinnere, mit seinen versteckten Schätzen und ursprünglichen Landschaften, blieb damals unentdeckt. Seit dieser ersten Tour hat sich viel verändert. Aus dem Gelegenheitsradler wurde ein leidenschaftlicher Radreisender, und mein Interesse führt mich durch das Bikepacking nun immer öfter entlang weniger bekannter Ecken, fernab der typischen Routen.
Die Wiederentdeckung Siziliens
Anfang letzten Jahres, eher zufällig, stieß ich auf den Sicily Divide Trail. Ein Trail, der quer durch das Herz Siziliens führt, von Ost nach West, über die schönsten Gravel- und Bergetappen des Hinterlands. Sofort war meine Neugier geweckt. Die Idee, Sizilien noch einmal mit dem Rad zu bereisen, diesmal abseits der ausgetretenen Küstenpfade, klang zu verlockend. Fast zeitgleich erfuhr ich, dass ein guter alter Freund gerade mit seiner Familie und deren VW-Bus eine sechsmonatige Auszeit auf der Insel startete. Das konnte kein Zufall sein.
Spontan checkte ich die Flüge – der Plan nahm Formen an. Doch da gab es ein kleines Problem: Die Fahrradmitnahme im Flugzeug war teurer als erwartet. Und wohin mit der sperrigen Reisetasche? Eine Alternative musste her. Man kann man zwar über Sicily Divide vor Ort Gravel-Bikes mieten, jedoch hatte sich gerade das neue Tyrell IVE Faltrad bei mir "eingefunden". Der Gedanke, genau dieses kompakte Bike reisetauglich aufzubauen und über Berge zu treten, reizte mich schon länger.
Mein Setup - Das IVE Faltrad in der Adventure? Variante!
Wir sind große Fans des IVEs. Warum? Weil es wahnsinnig flexibel ist, fein verarbeitet und jede Menge Spielraum für Upgrades bietet. Natürlich wird das Rad hauptsächlich als stylischer Stadtflitzer genutzt, perfekt fürs tägliche Pendeln. Aber was, wenn man es aus seiner Komfortzone reißt? Kann das IVE auch Abenteuer?
Ein paar wichtige Features machen aus dem Citybike einen passablen Reisebegleiter:
✅ Reifenfreiheit bis 50 mm – Perfekt für lose Untergründe, Schotter und unbefestigte Wege. Mehr Grip, mehr Komfort.
✅ Solide Komponenten von Shimano & Tektro – Bedeutet: Sollte irgendwo in der Pampa etwas kaputtgehen, kann dir so ziemlich jede Werkstatt helfen.
✅ Gepäckoptionen – Das Rad kann Front- und Rahmentaschen aufnehmen und ist sogar mit Gepäckträgern für vorne und hinten kompatibel.
✅ 8- oder 9-Gang-Schaltung – Keine Bergziege, aber genug Übersetzung, um moderate Anstiege zu meistern.
Doch so gut das Setup auch klingt – die Reise durch Sizilien ist auch ein Härtetest. Was müsste man am Faltrad upgraden, damit daraus eine echte „Adventure Edition“ wird? Braucht es eine andere Schaltung, robustere Laufräder oder vielleicht eine bessere Lösung für das Gepäck? Die nächsten Tage werden zeigen, wo die Stärken und Schwächen des IVE liegen. Der ultimative Reality-Check beginnt! 🚴♂️
Mein Weg durch Sizilien
Ich selbst bin eine leicht veränderte Route zum Sicily Divide Trail gefahren. Geplant war der Start in Palermo, doch das Wetter dort erinnerte eher an einen Weltuntergang als an eine Radreise. Also Plan B: Ich startete in Gibellina, folgte dem offiziellen Trail bis Enna und bog dann Richtung Noto ab, um Freunde zu treffen. Am Ende standen 450 Kilometer und etwas über 7.000 Höhenmeter auf dem Tacho – und jeder einzelne war eine Erfahrung wert. Falls ihr mein Abenteuer nacherleben wollt, könnt ihr alle Details einsehen: Folding Bike Adventures // episode 01 - Sicily Divide
Tag 1: Von Gibellina nach Sambuca di Sicilia – Ein Härtetest für Mensch und Maschine
Es beginnt nicht sanft, es beginnt mit einem Kampf. Die wochenlangen Regenfälle haben den lehmigen Boden in eine klebrige Masse verwandelt. Die Durchfahrt durch den Bosco Finestrelle wird zur Grenzerfahrung: Jeder Meter ist ein Kampf gegen den Matsch, der sich zwischen Reifen und Schutzblechen sammelt und das Vorankommen immer wieder stoppt. Ich muss ständig absteigen, um den festsitzenden Lehm zu entfernen – ohne breite 50-mm-Reifen hätte ich hier keine Chance gehabt. Eine gute Entscheidung, das Upgrade zu machen!
💡 Lektion 1: Leichter abnehmbare Schutzbleche hätten das Problem entschärft. Ohne Schutzbleche? Komplett eingesaut. Es gibt keine perfekte Lösung.
Aber Durchhalten, fröhlich bleiben, positiv bleiben! Irgendwann gibt der Wald mich frei, geschafft.
Gibellina Vecchia & Poggioreale Vecchia – Mahnmale der Zerstörung
Nach knapp 20 Kilometern erreiche ich Gibellina Vecchia – oder besser gesagt, das, was davon übrig ist. Die Stadt wurde 1968 beim großen Erdbeben zerstört, und heute erinnert ein gigantisches Denkmal aus Steinquadern und Wegen an ihren einstigen Grundriss. Beeindruckend. Erdrückend. Erschütternd.
Nur 8 Kilometer weiter die nächste Geisterstadt: Poggioreale Vecchia. Hier steht noch mehr – bzw. liegt mehr in Trümmern. Ruinen, wohin das Auge reicht. Ein Schlachtfeld aus der Vergangenheit.
Grüne Hügel, Schafherden – und der Moment, in dem mich ein Hund beißt
Die Landschaft wird hügelig, es geht rauf und runter, vorbei an Schafherden, vorbei an einsamen Hirten. Keine Menschenseele weit und breit – außer Hirten und ihren Hirtenhunden.
Und dann passiert es: Ich fahre an einer Schafherde vorbei, langsam, möglichst unauffällig. Der Hirte winkt mich durch – aber die Herdenschutzhunde interessiert das nicht. Drei Stück, groß, schnell und verdammt nah an mir dran.
Ich versuche ruhig zu bleiben, nicht zu schnell werden, nicht den Jagdinstinkt wecken – doch einer der Hunde entscheidet sich trotzdem: Biss in die Wade. Halleluja.
Der Hirte kommt sofort, hilft mir, desinfiziert die Wunde mit Alkohol. Zum Arzt? In Sambuca di Sicilia? Versuchs mal… Letztendlich retten mich meine Bekannten, die zufällig in der Nähe sind: Tetanus-Spritze in einer Pizzeria, verabreicht von einer Krankenschwester-Freundin. Gute Story im Nachhinein – aber niemand braucht das wirklich.
💡 Lektion 2: Siehst du eine Schafherde? Stehenbleiben! Die Hunde verlieren dann meist das Interesse. Fährst du schnell weiter? Schlechte Idee – Jagdinstinkt aktiviert.
Fazit Tag 1: Ein emotionales Auf und Ab
✔ Bike hält durch.
✔ Bein nicht mehr ganz so.
✔ Willkommen in Sizilien – das Abenteuer hat begonnen! 🚴♂️🔥
Tag 2&3: Von Hügeln, Brücken und Bergzauber – Sambuca bis Enna
Nach dem Adrenalinschub und Hundedrama des ersten Tages bringen Tag 2&3 eine willkommene Entschleunigung – zumindest emotional. Landschaftlich bleibt es anspruchsvoll: Hügel, Hügel, Hügel. Oder in Zahlen: reichlich Höhenmeter, verteilt auf gut 160 Kilometer. Klingt viel, fährt sich aber erstaunlich entspannt – vorausgesetzt, man hat die richtige Einstellung, ein funktionierendes Bike und keine frische Bisswunde.
Der Weg führt mich durch eine Szenerie, die sich ständig neu erfindet:
🚲 Burgio – charmantes Bergdorf mit verwinkelten Gassen.
🚲 Lucca Sicula – versteckt zwischen den Hügeln, ruhig und ursprünglich.
🚲 Lago di Magazzolo – türkisfarbenes Wasser, gekrönt von einer gewaltigen Brücke, die dramatisch hoch über dem See thront. Fast surreal.
🚲 Santo Stefano di Quisquina – klein, ruhig, eine kurze Pause wert.
🚲 Mussomeli – thront mit seiner markanten Burg über der Landschaft.
Und dann der unerwartete Wow-Moment: Zwischen Mussomeli und Montedoro schneidet sich ein tiefer Canyon in die Hügellandschaft – fast wie ein Stück Schottland mitten in Sizilien. Still, rau, eindrucksvoll. Ein kurzer Moment, in dem man vergisst, wo man ist.
Mein Ziel ist Enna – und es lohnt sich, dort gleich zwei Tage zu verweilen. Die Stadt liegt hoch oben, wie aus dem Fels gemeißelt, mit spektakulärem Blick auf den Ätna. Die Altstadt verzaubert mit engen, gepflasterten Gassen, uralten Mauern und einer fast theatralischen Atmosphäre.
Nach zwei Tagen Faltrad-Abenteuer, Naturwucht, Höhenmetern und Bisswunde ist Enna der perfekte Ort zum Durchschnaufen, Staunen und Neujustieren.
Das Tyrell macht weiterhin einen souveränen Eindruck – ruhig, zuverlässig - ein echter Reisebegleiter. Aber was das Rad im Anstieg kann – oder eben nicht – das wird sich auf den kommenden Etappen zeigen.
Belohnt wurde das Ganze mit den vorzüglichsten Speisen, die Sizilien zu bieten hat – und ein Glas Rotwein mit Blick auf den Ätna – so schmeckt Ankommen.
Flexibel reisen – Mit Faltrad und Bahn ans Meer
Übrigens: Ich bin den Track nicht am Stück durchgefahren. Immer wieder hat es mich ans Meer gezogen – manchmal war das Wetter ein Grund, manchmal einfach die Lust auf Salzwasser und Pasta mit Meeresblick. Und das geht erstaunlich gut in Sizilien: Die Bahn ist günstig, zuverlässig genug, und das Faltrad ein echter Joker im System.
Wegen der Tasche am Sattelrohr hätte diese jedes Mal abbauen müssen – aber das Tyrell IVE lässt sich in wenigen Sekunden in zwei Hälften teilen. Kein großes Schrauben, kein Stress. Tasche dranlassen, Rad einklappen, rein in den Zug – fertig.
So wird aus einer Bikepacking-Route eine modulare Entdeckungsreise – mal Trail, mal Küste, mal Pause. Und genau das ist vielleicht die größte Stärke dieses kleinen, klugen Rads.
Tag 4&5: Finale mit Rückenwind - Von Enna nach Noto, durch Wäder, Wind und Weite
Die letzten beiden Tage dieser Reise sind ein würdiger Abschluss – und gleichzeitig ein Rausch: aus Landschaft, Wetter, Geschwindigkeit, Stille und der wachsenden Gewissheit, dass dieses kleine Faltrad ganz Großes leistet.
Von Enna aus geht es hinein in die Riserva Naturale Orientata Rossomanno-Grottascura-Bellia – und das ist wirklich Gravel vom Feinsten: Waldwege, Schotter, Stille, ein bisschen Wildnis, ein bisschen Magie. Doch so romantisch der Weg beginnt, so wild wird das Wetter. Regen. Hagel. Wolkenbrüche. Aber genau das ist es, was eine Radreise lebendig macht: nicht nur fahren, sondern spüren – die Natur, das Wetter, sich selbst.
Kloster, Kurven, Kulturlandschaft
Die Nacht verbringe ich im alten Kloster von Vizzini – schlicht, still, stark.
Und dann, am nächsten Tag, der absolute Flow-Moment: Die Abfahrt von Buccheri ins Valle dell’Anapo – steil, kurvig, rasant. Unten angekommen wird es fast unwirklich: Ich rolle auf einer alten Eisenbahntrasse, die zum Radweg umgebaut wurde, durch eine Landschaft, die man in Sizilien so nicht erwarten würde.
Links und rechts massive Berge, dazwischen ein wildromantischer Fluss, der sich durch das Tal windet. Sattes Grün, keine Autos, nur Fahrtwind, Freiheit und Fokus.
Finale am Meer
Nach dem Tal beginnen die Obstplantagen – endlos, strukturiert, riechend nach reifen Zitronen und Orangen. Und dann, ganz plötzlich: Salz in der Luft. Das Meer.
Die letzten 20 Kilometer ziehen sich, aber sie tragen mich: müde Beine, glückliches Herz. Hinter Siracusa fahre ich direkt an der Küste entlang, lasse mich vom Wind schieben, lasse alles los.
In Avola dann das einzig Richtige: Eine Flasche Nero d’Avola, ein stiller Toast auf mich, das Rad, die Insel, die Tage.
Und schließlich, Ankunft bei Freunden auf einem Naturcampingplatz bei Noto. Sonne. Wärme. Gespräche. Kein WLAN. Alles richtig.
Fazit: Sizilien, Abenteuer – und das Tyrell IVE in seiner ganz eigenen „Adventure Edition“
Ich bin ein Fan der Abzweigungen, der kleinen Wege, der Orte abseits der bekannten Routen. Dort, wo man nicht weiß, was einen erwartet, beginnt für mich das echte Reisen. Manchmal wird man überrascht, manchmal herausgefordert– aber genau das macht den Reiz aus. Nicht alles läuft glatt, und genau deshalb bleibt es im Gedächtnis.
Sizilien? Klare Empfehlung.
Die Tour fand im März 2024 statt – ein großartiger Zeitpunkt: die Insel blüht auf, sattes Grün, milde Temperaturen, kaum Tourismus. Gerade das Hinterland zeigt sich zu dieser Jahreszeit von seiner eindrucksvollsten Seite – ruhig, ursprünglich, intensiv.
Das Video zur Tour könnt ihr hier SEHEN.
Und das Bike?
Das Tyrell IVE ist eigentlich als Stadtfaltrad gedacht – kompakt, leicht, clever. Aber diese Tour war mehr als nur eine Reise, sie war auch ein Praxistest: Wie viel Abenteuer steckt in einem Faltrad?
Letztes Jahr saßen Patrick und ich zusammen, haben mögliche Setups durchdacht – und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Das IVE lässt sich modular aufrüsten, mit Standardteilen und durchdachten Komponenten.
Meine wichtigsten Erkenntnisse unterwegs mit dem Tyrell IVE:
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50 mm Reifen – ein echter Gamechanger:
Ich hatte den Schwalbe Billy Bonkers in 50 mm Breite montiert – und bin über die ganze Tour pannenfrei geblieben. Das Rad ist serienmäßig mit 40 mm Reifen ausgestattet, aber der Schritt zu 50 mm macht einen deutlichen Unterschied:
Mehr Auflagefläche, mehr Traktion – besonders auf losem Untergrund – und vor allem mehr Komfort durch Dämpfung, wenn man sie mit ca. 3 Bar fährt. Gerade bei langen Tagen auf wechselndem Terrain ist das ein Riesenvorteil. -
Frontgepäck am Dock statt Gabelträger:
Ich hatte eine große Tasche am vorderen Dock befestigt. Der große Vorteil: Das Gewicht liegt nicht auf der Gabel, sondern wird direkt vom stabilen Stahlrahmen getragen. Das wirkt sich positiv auf das Lenkverhalten aus – das Rad bleibt stabil und ruhig, auch mit voller Beladung. Wichtig: Die Schrauben am Dock gut festziehen, hier darf kein Spiel entstehen. Und auf gar keinen Fall mehr als 10kg Gewicht. -
Rahmentasche – bitte passgenau!
Ich hatte eine handelsübliche Rahmentasche im Einsatz – leider etwas zu breit. Beim Falten des Rads schliff der Reifen regelmäßig daran, was der Tasche sichtbar zusetzte. Deshalb: Maßgeschneiderte Lösung notwendig. Wir sind aktuell (Mai 2025) in Gesprächen mit einem Taschenhersteller, um genau das zu ermöglichen – eine IVE-spezifische Rahmentasche, die auch im gefalteten Zustand funktioniert. -
Satteltasche vs. Gepäckträger hinten:
Die klassische „Arschrakete“, entliehen vom Gravelbike, hat ihren Job getan – aber ich würde beim nächsten Mal den Tyrell-Heckgepäckträger bevorzugen. Warum? Das Gepäck liegt tiefer, der Schwerpunkt ist besser, und das Falten geht schneller, weil man nichts demontieren muss. -
Pedale – unterschätzt, aber entscheidend:
Die serienmäßigen Faltpedale sind okay für die Stadt – aber auf langen Touren und steilen Anstiegen zeigen sie Schwächen: zu wenig Grip, zu wenig Fläche. Ich bin mittlerweile auf hochwertige MKS-Pedale (Japan)umgestiegen – mit deutlich mehr Halt und Sicherheit, vor allem auf ruppigem Gelände oder im Wiegetritt.